CD Kritik
"Pelléas et Mélisande" von Gabriel Fauré und "Siegfried Idyll" von Richard Wagner auf CD
O. Sallaberger & Orchestre de l'Opéra de Rouen
IN DIE CD REINHÖREN
Wie definiert sich französischer Charme in der Musik? Wie „schwer“ ist das Idiom der deutschen Musik? Kann man Typisierungen wie „leicht = eingängig“ und "schwer = tiefer gehend“ in der Musik verallgemeinern?
Dieser Frage geht der Einführungstext im Booklet einer besonderen CD-Neuaufnahme auf den Grund.
Auf dem Programm steht das „Siegfried-Idyll“ Richard Wagners und Werke von Gabriel Fauré. Einerseits orchestrierte Lieder, seine Cello-Elegie und die sinfonische Zwischenmusik für das Theaterstück „Pelléas et Mélisande“.
Die Konzeption dieser, vor allem ohrenöffnenden CD, geht auf den Dirigenten Oswald Sallaberger zurück, welcher vor mehr als 10 Jahren das Orchestre de l‘Opéra de Rouen Haute-Normandie im Norden Frankreichs gründete. Sallaberger ist gebürtiger Tiroler, Preisträger der Herbert von Karajan Stiftung und vorwiegend in Frankreich als Dirigent von Opern und Konzerten, aber auch als Geiger tätig. Sein breites Repertoire spannt sich von der klassisch-romantischen Musik bis zu zeitgenössischen Werken. Unter anderem in Paris hat er sich einen Namen als Wagner-Dirigent gemacht. Ein Ansporn mehr, gerade mit einem französischen Orchester, den deutschesten aller Komponisten in den Kontext seiner Zeit zu stellen. Vor allem den französischen Komponisten der Generation um 1880, wie Gabriel Fauré oder Ernest Chausson hat es ja Wagner angetan. In ihren Werken spürt man zwar bereits viel Impressionismus. In Harmonik und Instrumentierung sind die Vorbilder „Tristan“ und „Parsifal“ aber eindeutig zu hören. Fauré war glühender Verehrer der Werke Wagners, fuhr nach Bayreuth und hörte dort „Parsifal“ im Original. Erstaunlich, dass er in seinen eigenen Stücken nie eindeutig Wagners Stil kopiert. So zum Beispiel in der 1901 uraufgeführten vierteiligen Schauspielmusik zu Maeterlincks symbolistischem Theaterstück „Pelléas et Mélisande“, welches in seiner mythologischen Konzeption sehr an „Tristan und Isolde“ erinnert und dem sich später auch Debussy, Schönberg und Sibelius annahmen. Fauré verwendet die Leitmotivtechnik, die musikalische Themen und die Handlung eng miteinander verbindet. Vor allem im vierten Satz „Molto adagio“ erkennt man ausserdem Anleihen an „Parsifal“ und Siegfrieds Trauermarsch in der „Götterdämmerung“.
Angefügt werden auf der CD einige Lieder Faurés mit der Mezzosopranistin Karine Deshayes, die auch zuvor Melisandes Lied (auf Englisch) singt, und die Elegie op.24 für Violoncello und Orchester.
In den Kontext dieser französisch parfümierten Musik stellt Sallaberger eines der wenigen rein orchestralen Kompositionen Richard Wagners. Das berühmte „Siegfried-Idyll“ (eigentlich: „Tribschener Idyll mit Fidi-Vogelsang und Orange-Sonnenaufgang, als Symphonischer Geburtstagsgruss. Seiner Cosima dargebracht von Ihrem Richard“) ist seiner Frau und dem Sohn Siegfried gewidmet und wurde zum ersten Mal im Treppenhaus von Wagners Haus in Tibschen nahe Luzern 1870 von einigen befreundeten Musikern gespielt. Verarbeitet werden Themen aus der Oper „Siegfried“, vorwiegend das „Waldweben“ aus dem zweiten Akt. Ein eher kammermusikalisches Werk, das mit seiner verklärten Grundstimmung im Gegensatz zu Wagners sonst so üppigem Klangbild steht und gerade durch die feingliedrige Instrumentierung besticht.
Oswald Sallaberger schafft hier einen interessanten Konnex zwischen der romantisch süffigen Stilistik Wagners und jener flirrenden klaren französischen Musik, die zum Impressionismus und später zur Avantgarde führt. Das „Siegfried Idyll“ ist dabei Dreh- und Angelpunkt. In seinem poetischen Einführungsessay vergleicht Sallaberger diesen Aspekt in der Musikgeschichte mit dem Aufklaren des Himmels nach einem Gewitter. Wagners Musik klingt duftig, Faurés Tondichtung geht tiefer als man erwartet.
Fauré (Pelléas et Mélisande u.a.) & Wagner (Siegfried Idyll)
Orchestre de l‘Opéra de Rouen Haute-Normandie
Oswald Sallaberger (Dirigent)
Karine Deshayes (Mezzosopran)
Francois Salque (Violoncello)
Label: ZIGZAG