RING DES NIBELUNGEN - WIENER STAATSOPER
SIEGFRIED 9.11.2011
Christian Thielemann dirigiert Wagners "Ring" an der Wiener Staatsoper. Mittwoch ging der dritte Teil "Siegfried" mit einer atemberaubenden Orchesterleistung und einer durchwegs sehr guten Sängerbesetzung über die Bühne.
"Siegfried" ist seit jeher das Stück aus dem Ring, welches im Gegensatz zu den emotionaleren Werken "Walküre" und "Götterdämmerung" eher das Kennerpublikum anspricht. Die Geschichte um den jungen Siegfried, sein Hinausziehen in die Welt, um das Fürchten zu lernen, die Tötung des Drachen und das Erwecken der schlafenden Brünnhilde ist als deutsch-deutsches -Literatur-Volksgut weithin bekannt, Musikalisch stellt die Komposition Wagners allerdings eine große Herausforderung an Orchester, Dirigent und Sänger, die bei unzulänglicher Interpretation für das Publikum bei einer Spieldauer von fünf Stunden oft mühsam zu verfolgen ist.
Einen interpretatorischen Bogen zu finden, ist das Ziel der Ausführenden, gelingt aber selten perfekt.
Und hier muss, nach der viel versprechenden Ouvertüre "Rheingold" und der sagenhaft einzigartigen Lesart der "Walküre" wieder Christian Thielemann an vorderster Stelle genannt werden. Er versteht Wagners Musiktheater Note für Note, Wort für Wort und setzt die Vorstellungen des Komponisten zusammen mit den Wiener Philharmonikern in einem derart logischen musikalischen Fluss um, dass man die offensichtlichen Längen des Werkes nicht spürt.
Der erste Akt wurde in cirka 1 Stunde 20 Minuten, man muss fast sagen, durchgepeitscht, wofür so manch andere Dirigenten mehr als 90 Minuten intendieren. Von Anbeginn herrscht eine Tempoextase, die gebannt auf Orchester und Sänger horchen lässt. Dabei nicht zum Nachteil der Diktion oder mit etwaiger Atemnot der Interpreten. Wolfgang Schmidt als Mime weiss mit seiner inzwischen zum Charakter-Tenor abgestumpften Stimme klug umzugehen. Textdeutlich, nur an manchen Stellen outriert und zwergentypisch gekeift, findet er vor allem in der Mittellage immer wieder zu schönen Tönen, manche Höhen klingen jedoch angestrengt. Dass auch er einst die Rolle des Siegfried sang, merkt man im Zusammenspiel mit Stephen Gould, dem Helden des gestrigen Abends. Kindlich im Spiel, heldisch kraftvoll in der Stimme. Klar, er ist auch ein Töne-Stemmer, beeindruckt durch angesungene Spitzen und Forte-Stellen, beweist aber zwischendurch immer wieder Lyrismen. Albert Dohmen war der Wanderer. Das Fragespiel zwischen ihm und Mime wurde zu einem der ersten Höhepunkte des ersten Akts. Kernig, dem nervösen Zwerg stimmlich klar überlegen, begann Dohmen seinen dritten Auftritt als erfolgreicher Wotan im Wiener Ring. Die darauf folgende Schwert-Szene samt Schmiedelied gelang trotz des hohen Tempos durch Goulds Krafteinteilung und die besondere Rollenkenntnis phänomenal. Thielemann kostete die Dynamik voll aus und nahm schier immer wieder Anlauf durch, schon in der "Walküre" auffallende, ritardandi (Tempiwechsel). Man schien sich in einen Rausch zu singen. Spontane Bravo-Rufe aus dem Publikum bei Aktschluss.
Am Beginn des zweiten Akts kam es zum Aufeinandertreffen der beiden Erzfeinde aus dem "Rheingold" Wotan-Alberich. Tomasz Konieczny konnte sich wiederum einen großen Erfolg als Wotans Gegenspieler ersingen. Auch er ist ein erfahrener Wotan-Sänger und kann hier mit kerniger, rauher Stimme dennoch auch Schöngesang produzieren. Stephen Goulds Lyrismen zeigten sich besonders im nachfolgenden Waldweben (Rainer Honeck an der Sologeige mit zartesten Tönen!). Die kurzen Auftritte und Einsätze von Fafner (Ain Anger) und Waldvogel (Chen Reiss) gelangen luxuriös, ob mit tiefem edlem Bass oder feinem Koloraturgesang. Auch mit diesen kleinen Rollen beweist die Staatsoper, dass man über hervorragende Kräfte im Haus verfügt.
Das Vorspiel zum dritten Akt gelang unerhört dramatisch, dennoch feinsinnig, austariert und mit den einzelnen Leitmotiven klar strukturiert. Hier, wie auch an anderen Stellen, greift Thielemann in die Vollen und lässt das hervorragend disponierte Staatsopernorchester im forte auftrumpfen. Siegfried kann ein ganz schön lautes Stück sein, welches nicht nur die Sänger an die Grenzen bringt, über das Orchester hinweg singen zu können, sondern auch solistisch (Solo-Horn Ruf im zweiten Akt, Bass-Tuba, Bass-Trompete, Solo-Geige, Pauke) einiges fordert. Das Duett Wotan-Erda gelang auch dank einer ausdrucksstarken, schönstimmigen Sängerin wie Anna Larsson, schlank, groß und schauspielerisch begabt, hervorragend. Der Feuerzauber wurde vor geschlossenem Vorhang gespielt. Ungewohnt langsam und akzentuiert, ehe dann ein wirklich edles Unisono-Streichermeer die Höhen des Brünnhilden-Felsens beschrieb. Die zu erweckende Wotans-Tochter wurde kurzfristig umbesetzt. Statt der "Walküren"-Brünnhilde Katarina Dalayman, angeblich erkrankt, verpflichtete man die Amerikanerin Linda Watson, bayreuth- und Thielemannerfahren. Mit schlankem, gut geführtem Sopran gestaltete sie die lyrischste der drei Brünnhilden-Partien souverän. Auch das Arioso "Ewig, ewig" gestaltete sie liedhaft ohne Anstrengung. Das Schlussduett gelang mit einem unermüdlichen Stephen Gould und einem perfekten Spitzenton Watsons zum Triumph.. Jubel noch länger als bei "Walküre" - Sonntag endet der Ring mit "Götterdämmerung".
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