RING DES NIBELUNGEN - WIENER STAATSOPER
GÖTTERDÄMMERUNG 13.11.2011
Großer Jubel als sich Sonntag an der Wiener Staatsoper der "Ring" von Wagner unter der musikalischen Einstudierung von Christian Thielemann schloss.
Zunächst die Überraschung des Abends: die gesamten Wiener Philharmoniker begaben sich nach der "Götterdämmerung" mit ihrem Dirigenten Christian Thielemann auf die Bühne und nahmen gemeinsam den stürmischen Applaus entgegen. Eine einmalige Geste, die dieses Spitzenorchester wohl bis jetzt sehr selten und in Zukunft nicht wieder so schnell seinem Publikum und seinem musikalischen Leiter zu Ehren kommen lassen wird.
Dabei begann der letzte Teil von Wagners "Ring des Nibelungen" sogar etwas wackelig. Zumindest machte es mir persönlich den Eindruck, als ob über die Nornen-Szene bis hin zur Rheinfahrt und Gibichungenhalle das Orchester noch nicht so warm gespielt war, wie bei "Walküre" oder "Siegfried". Die Bläsereinsätze zu Beginn waren exakt, die Nornen klangschön besetzt (Ildiko Raimondi, Ulrike Helzel und Zoryana Kushpler). Das Themengeflecht der Leitmotive gestaltete sich aber nicht unbedingt durchsichtig, vielleicht schluckte die extrem tiefe Bühne einige Gesangs-Passagen, die normalerweise Spannung erzeugen. Die Morgendämmerung und Zwischenmusik zum Brünnhildenfelsen war dann aber hinreissend zart musiziert, das Duett Siegfried-Brünnhilde wurde von den Protagonisten noch mit Zurückhaltung, aber sicher dargeboten. Überhaupt konnte das hohe Paar gesungen von Stephen Gould und der, wiederum für Katerina Dalayman einspringenden, Linda Watson den ganzen Abend lang überzeugen. Gould war stimmsicher, edel, in den nötigen Passagen dramatisch wie lyrisch (Siegfrieds Tod). Watson geizte nicht mit Spitzentönen, mühelos schaffte sie die dramatischen Szenen des zweiten Akts und glänzte im 20minütigen Schlussgesang am Ende. Großartig.
Die Gibichungen waren sehr gut besetzt: Markus Eiche war ein edler Gunther, auch wenn er in der extrem schwierigen Stelle der Willkommensgrüße im zweiten Akt kurze Unsicherheiten zeigte. Caroline Wenborne verkörperte seine Schwester Gutrune mit lyrischem Sopran und setzte gute Akzente in ihren raren Szenen. Im Falle des Hagens gab es eine Besonderheit: Eric Halfvarson ließ sich zu Beginn als noch nicht ganz von einer Erkältung gesundet ansagen, wollte aber dennoch singen so lange es geht. Mit profundem, schwarzem Bass und bösem Aussehen war er eine Idealgestalt des Hagens, die "Hoho"- Rufe und die Mannenszene des zweiten Akts waren grandios. Kaum zu merken war seine stimmliche Beeinträchtigung. Den dritten Akt sang dann aber von der Seitenbühne aus Attila Jun, während Halfvarson die Rolle spielte. Warum dem so war, wird uns verborgen bleiben, denn meines Erachtens hätte er ohne weiteres den dritten Aufzug noch "geschafft". Jun vermochte als Hagen II ebenso das Publikum zu überzeugen und erntete Hand in Hand mit Halfvarson großen Applaus.
Der kurze Auftritt von Waltraute wurde von Janina Baechle gesungen. Als Fricka vermochte sie zuvor nicht restlos zu überzeugen. Die Rolle der Brünnhilden-Schwester lag ihr definitiv besser. Tomasz Konieczny war wieder Alberich. Als zur Treue mahnender Nibelung gelang mit Hagen eine spannende Einstiegsszene zum zweiten Akt. Hier zeigte sich auch Sven Eric Bechtholfs Regie von seiner besten Seite. Überhaupt schien ihm der vierte Teil am besten gelungen zu sein. Plausible, mit Spannung erfüllte Personenregie, sehr eng am Text entlang erzählt, auf der schön und effektvoll gestalteten Bühne von Rolf Glittenberg. Starke Wirkung erzielte der Weltenbrand am Schluss, indem sich das Bühnenbild, horizontal verschoben und in mehreren Ebenen zerteilt, zusammen mit einer Feuer-Wasser-Videoprojektion, auflöste. Wunderschön auch die Rheintöchter-Szene (sehr gut Ileana Tonca, Ulrike Helzel und Zoryana Kushpler) des dritten Akts, die sich zwischen und auf mehreren Holzbooten (Nachen) abspielte, wobei eines dann zur Totenbahre Siegfrieds wurde.
Orchestral waren gewisse Stellen dieser "Götterdämmerung" von berückender Schönheit gespielt und interpretiert. Die Soloklarinette verdient besondere Hervorhebung, der Trauermarsch gelang zum Bravourstück. Die langsamen Tempi, das Heranstasten an das Hauptthema und großartige Blechbläser und Schlagwerk Klänge machten einfach nur Staunen und ließen Gänsehaut aufkommen.
Der Jubel am Schluss für Orchester, Sänger und vor allem Christian Thielemann war voll berechtigt. Ein solcher Ring hat Einzigartigkeitswert, auch wenn oder gerade weil er eher ungeprobt, mit Umbesetzungen bei den Sängern und dennoch so inspiriert auf höchstem Niveau durchgezogen wurde. Man wird sämtliche Ring-Dirigenten in naher Zukunft an dieser Leistung messen. Gratulation an die Wiener Staatsoper.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen