Tristan und Isolde - Liebesnacht am Wasserbett

(Foto: Salzburger Landestheater)

"Tristan und Isolde" ist eine "Handlung in drei Aufzügen". Richard Wagner selbst wollte das Werk nicht Oper nennen. Und so kann man vielleicht von einer Symphonie mit Gesang sprechen, wenn der Vergleich auch etwas hinkt, da ja alle Elemente einer Oper vorkommen und das Stück immer als solche wahrgenommen wird. Im Falle der Neuproduktion des Salzburger Landestheaters von "Tristan" im Haus für Mozart, muss man jedoch vorerst den symphonischen Aspekt, nämlich das spielende Orchester hervorheben. Das Mozarteumorchester Salzburg hat sich die große und schwierige Partitur hart erarbeitet. Der letzte "Tristan" ist zehn Jahre her, damals unter der Leitung von Leopold Hager im Großen Festspielhaus. Was die Klangbalance und Dynamik, sowie einzelne hervorragende solistische Leistungen in den Instrumentengruppen - als Beispiel sei die flüssige und wunderbar weiche Führung des Englischhorns im dritten Akt genannt - betrifft, muss man von einem sagenhaften Erfolg sprechen, der sich mit anderen Spitzenorchester-Leistungen messen lassen kann. Dazu beigetragen hat sicherlich auch Leo Hussain, musikalischer Opernchef des Landestheaters, der zum ersten Mal Wagner dirigiert. Seine Herangehensweise ist flächig, aber klar und strukturiert. Die Harmonie steht im Vordergrund, wenngleich Hussain sie nicht wirklich vertikal (Tristanakkord) aufzubauen scheint und so die Modernität der Komposition verdeutlichen würde. Er wählt durchaus rasche Tempi, lässt relativ laut durchspielen, macht dadurch einen dramatischen und kurzweiligen Effekt, was manchen Sängern aber auf Dauer nicht entgegenkommt. Vor allem im "Sink hernieder, Nacht der Liebe", dem großen Duett im zweiten Akt, merkt man die Hast. Hier hätte man sich mehr Breite gewünscht, um das Orchester und auch die wunderbar aufgefächerten Stimmen (Brangänes Wacht) mehr geniessen zu können.

Sängerisch ist diese Produktion sehr ausgewogen besetzt. Größtenteils wortdeutlich und mit qualitätvollen Stimmen wird auf sehr hohem Niveau gesungen. Einzig Jeanne-Michèle Charbonnet als Isolde vermag nicht ganz zu überzeugen. Sie verfügt über eine große (Brünnhilden-)Stimme, die sie sicher führt, die ihr aber gerade in längeren Passagen immer wieder unkontrolliert aus dem Ruder gerät, unangenehm verwackelt und unnötig laut wird. Besonders beim Liebestod am Ende der Oper muss Charbonnet sich über das relativ laute Orchester mühen. Hier hätte weniger Effekt der Sängerin sicher geholfen, sich leichter frei zu singen. Michael Baba vermag als Tristan gestalterisch mit Leichtigkeit und fokussierter Stimmführung die lange Partie bis zum großen Monolog im dritten Akt durchzuhalten. Eine überzeugende Leistung des Berliners, der sein Tristan-Debüt gibt. In der Rolle von Isoldes Gefährtin Brangäne hat, die in Salzburg lebende Amerikanerin Katherine Goeldner einen großen Erfolg ersingen können. Süffig, damatisch, dabei nie schrill, schlägt sie den Weg zu einer idealen Wagnersängerin ein. Detlef Roth als Kurwenal ist bereits bayreutherprobt. Im dortigen "Parsifal" sang er den Amfortas. Seine liedhafte runde Stimme verleiht dem Knappen etwas Edles. König Marke hat im Stück eigentlich nur seine Klage im zweiten Akt zu singen. Diese gilt für viele Bässe als Paradestück. Frode Olsen klingt etwas hohl. Er schleift Vokale mit Nachdruck, vertieft dadurch den lamentösen Charakter seines arienhaften Auftritts. Franz Supper war überzeugend in der Doppelrolle als durchdringender Seemann, von der Lichtbühne hoch über dem Zuschauerraum gesungen, und als mitleidsvoller Hirte. Simon Schnorr gab einen jugendlichen Melot. Kräftig sangen die Herren des Landestheaterchores.

(Foto: Salzburger Landestheater)

Das Produktions-Team rund um Eike Gramss (Regie) und Christian Floeren (Bühnenbild) stellte einen eher konventionellen "Tristan" auf die Bühne, mit vielen eindrucksvollen Bildern und Effekten, aber ohne tiefer gehende Sinnentladung des gewaltigen Epos. Die mit knöchelhoch Wasser überflutete Bühne ließ zu keinem Zeitpunkt an ein gutes Ende der Geschichte denken. Bedrohlich schwebten Holzplanken mal als stilisiertes Schiffsheck, mal als Liebesinsel oder überdimensionale Schaukel an filigranen Stahlseilen über der Wasserfläche, die immer wieder mit Licht-Spiegelungen optische Effekte erzeugte. Im dritten Akt wurden aus den Planken ein Steg und Tristans Bettlager, wie nach erlittenem Schiffsbruch zerschellt. Der weite, sonst strahlende Horizont wird während des Liebesduetts zu einem Sternenhimmel und von Markes Gefolge bei dessen Auftritt brutal herniedergerissen, was die blanke unhübsche Hinterbühne des Hauses für Mozart wieder einmal frei gibt (vgl. "Liebe der Danae", "Giulio Cesare"). Gramss Regie erzielt mit wenig Mitteln die gewünschten Effekte, er positioniert die Figuren im Raum, lässt die Sänger aber ihre Eigenheiten ausleben. So wirkt das ganze flüssig und unverkrampft. Beispielhaft sei der große Monolog Tristans genannt, der eher statisch von Michael Baba bewältigt wurde. Der Sänger meistere aber dadurch die gewaltigen Stimmanforderungen ohne unnötige Regieideen beeindruckend.

Premiere am 31.10.2012
Besuchte Vorstellung am 3.11.2012

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen