Erinnerungen|Zum Tode Claudio Abbados

Bild: Deutsche Grammophon
Zum Tode Claudio Abbados

Für jeden Menschen sind Musiker ganz persönliche Helden. Bezugspersonen, die einem aus der Seele sprechen mit dem, was sie machen. Eine innige Freundschaft baut sich da auf, obwohl man die Künstler (meist) gar nicht persönlich kennt. Aber die Bewunderung ist da - ganz intim.

Für mich war Claudio Abbado so eine Bezugsperson. Gar nie durfte ich ihm seine Hand schütteln, im Konzertsaal galt dennoch mein Applaus ihm ganz speziell, wie für einen Vertrauten, gemeinsam mit 2000 Mitgratulanten. Dennoch und gerade deswegen: was Abbado für mein musikalisches Verständnis und Verstehen, meine eigene musikalische Erziehung und überhaupt meinen Weg zur Musik getan hat, war und ist die Basis.

Schliesslich waren es die Osterfestspiele, die mich zur Oper gebracht haben. Durch eine Schulveranstaltung rund um die Produktion von Verdis Otello im Jahr 1996 kam ich zu Proben und hinter die Kulissen. Und seither war ich so gut wie jedes Jahr zu Gast bei den Osterfestspielen, die Abbado mit den Berliner Philharmonikern bis 2002 gestaltet hat - Wozzeck, Parsifal, Simon Boccanegra, Falstaff. Prägend war für mich seine musikalische Interpretation von Simon Boccanegra (zusammen mit der Regie von Peter Stein), jenem apparten Werk abseits der Mainstream Italianitá, das intime Momente heraufbeschwört, sensibel macht und einem in vielen Szenen ganz besondere menschliche Seiten zeigt (Das Ende des Prologs - das keiner so dirigieren kann wie Abbado - der Sonnenaufgang und die Arie Amelias, der Fluch Boccanegras und der Schluss der Oper). Die menschliche Seite Abbados war es auch, mit der ich mich sehr identifizieren konnte. Wenig zerreden, die Musik kommen lassen, gemeinsam an etwas arbeiten und im besonderen Moment der Aufführung Magie entfalten.

Auch bei seinem letzten Auftritt in Salzburg, im Sommer 2012 als Gastspiel seines Orchestra Mozart mit zwei Messen von Schubert und Mozart, konnte man diesen perfekten Moment in seinen Dirigaten spüren. Ich bin dankbar, diesen Moment noch erlebt zu haben.

Leider war ich nie in Luzern. Dort wo Abbado fast alle (die Achte wurde nie verwirklicht) Sinfonien von Gustav Mahler dirigiert hat. Mahler ist auch so ein "Mensch", der in seiner Musik auszudrücken vermag, was man eben nur durch Noten mitteilen kann. Und da war Abbado, dank seiner großartigen Musiker-Freunde im Lucerne Festival Orchestra, ein verstehender Vermittler. Immer in Erinnerung, und gottseidank auf DVD festgehalten, bleibt mir seine linke Hand beim Dirigieren. Der Handrücken den Musikern zugewandt, nicht abwehrend nach vorne gerichtet, sondern einladend, dabei sanft die Wellen des musikalischen Flusses streichelnd.

Und dann setzte seine Interpretation der Beethoven Sinfonien, die er 2000 mit den Berliner Philharmonikern umsetzte, Maßstäbe. Für mich ganz besonders die Siebente und hier der letzte Satz Allegro con brio. Die Dynamik dieser Musik nimmt einen mit, das Spiel der Berliner ist exakt, dem strengen Rythmus vollkommen angeglichen, dennoch klingt alles losgelöst, ein Stück der Freiheit.
Die Liebe zur Musik ist hier besonders spürbar. Abbado wird mir definitiv fehlen!

Andreas Vogl

Claudio Abbado (*26. Juni 1933 ✝20. Jänner 2014)






Beethoven
Sinfonien 1-9
Berliner Philharmoniker
Claudio Abbado
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Hearing the Silence
Claudio Abbado
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